Wie die Problemstellung die Schwierigkeit beeinflussen kann

Die Art, wie wir über Probleme nachdenken hat einen großen Einfluss darauf, wie schnell wir auf eine Lösung kommen und welche Lösungen uns einfallen. Wie wir über Probleme nachdenken ist wiederum stark anhängig davon, wie es uns beschrieben wird. Folgendes Rätsel finden viele Leute zum Beispiel schwer zu lösen:

Stelle dir ein Schachbrett vor, von dem zwei schräg gegenüberliegende Ecken heraus geschnitten wurden (siehe Bild). Ist es möglich, dieses abgeschnittene Schachbrett vollständig mit Dominosteinen zu belegen, von denen einer jeweils 2 Felder abdeckt?

Es gibt einen "Trick", wie man über das Problem nachdenken kann, der die Lösung relativ offensichtlich macht. Je nach dem, wie die Aufgabe formuliert ist, kommt man einfacher oder schwerer darauf. Auflösung findet ihr am Ende ;)

Schachbrett mit zwei herausgeschnittenen Ecken

Wie stark der Einfluss der Problem-Präsentation ist, und wie gut unterschiedliche Leute selbstständig zu weniger offensichtlichen Lösungsansätzen kommen untersuche ich in meiner Forschung. Dafür brauche ich "Probleme", die sich gut variieren lassen: ich möchte sowohl verschiedene Schwierigkeitsstufen haben als auch viele Varianten, sodass ich Probanden in meinen Experimenten viele ähnliche Aufgaben lösen lassen kann. Diese Eigenschaften erfüllen Sudokus.

Ein Sudoku ist ein Zahlenpuzzle, bei dem einige Zahlen bereits ausgefüllt sind. Die Aufgabe ist es, alle leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9 zu füllen. Dabei darf in jeder Zeile, Spalte und 3x3 Box jede Zahl nur einmal vorkommen.

Verschiedene Lösungstaktiken

Anfänger beginnen oft damit, die leeren Zellen nach und nach durchzugehen und zu schauen, ob es welche gibt, in denen durch die Zahlen darum herum schon eindeutig festgelegt ist, welche Zahl eingetragen werden muss (zellenbasiertes Vorgehen). Es ist auch möglich, anstatt mit den leeren Zellen, mit bestimmten Zahlen anzufangen. Wir wissen, dass jede Zahl genau neun mal vor kommen muss (in jeder Spalte, Zeile und 3x3 Box einmal). Wenn schon viele 6en auf dem Feld sind, können wir zB schauen, wo die fehlenden 6en platziert werden können (zahlenbasiertes Vorgehen). Beide Vorgehensweisen sind richtig und es hängt vom Puzzle ab, welche davon anwendbar ist. Sudoku-Profis kennen auch noch viel komplexere Lösungs-Techniken, auf die gehe ich hier jedoch nicht weiter ein.

Zellenbasiertes Vorgehen

Zahlenbasiertes Vorgehen

 

Einfluss der Präsentation auf die Schwierigkeit

Auch bei Sudokus lässt sich der Einfluss der Aufgabenstellung untersuchen: In einem Experiment sollten die Probanden jeweils nur eine Zahl in ein Sudoku eintragen. Alle Probanden bekamen die selben Puzzles gezeigt, die Hälfte ließ sich mit zellenbasiertem Vorgehen lösen, die andere Hälfte mit zahlenbasiertem Vorgehen). Aber es gab zwei unterschiedliche Aufgabenstellungen dazu. Am Anfang des Experiments wurde zufällig entschieden, welche der beiden Aufgabenstellungen eine Person das ganze Experiment über gezeigt bekam. Ein Beispiel ist hier zu sehen:

Aufgabenstellung im Experiment

Die eine Aufgabenstellung passt eher zu zahlenbasiertem und die andere eher zu zellenbasiertem Vorgehen. Wir haben gespeichert, welche Aufgaben unsere Probanden richtig gelöst haben und wie lange sie dafür jeweils gebraucht haben. Dabei ist sehr deutlich geworden, dass die Art der Aufgabenstellung einen großen Einfluss darauf hatte, wie schwer die Aufgabe war. Identische Sudokus waren je nach Aufgabenstellung von einer Gruppe viel schneller und richtiger gelöst als von der anderen. Ganz klar ist auch: Aufgabenstellung und Puzzle spielen zusammen. Nicht immer ist die eine Aufgabenstellung viel besser als die andere. Welche Aufgabenstellung zu schnelleren und richtigeren Antworten führt, hängt stark davon ab, wie das Puzzle aufgebaut ist. Wenn die Aufgabenstellung und die benötigte Lösungsstrategie zusammen passen, kann das Puzzle ziemlich direkt gelöst werden. Wenn sie nicht zusammen passen, müssen die Leute, die am Versuch teilnehmen "anders denken", als die Aufgabenstellung suggeriert. Manche Personen konnten dies schneller und besser als andere. Welche Faktoren dies beeinflussen, versuche ich in weiteren Experimenten herauszufinden.

Flexibilität im Alltag

 Auch im Alltag können wir häufig davon profitieren, gedanklich "einen Schritt zurück zu treten" und zu überlegen, wie eine Aufgabe am besten lösbar ist. Ist die “Aufgabenstellung” von der ich ausgehe, wirklich die sinnvollste Beschreibung? Dies kann natürlich auch in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich sein. Wenn ich zum Beispiel normalerweise alleine koche, kann ich den Anweisungen im Rezept einfach von Anfang bis Ende folgen und so Schritt für Schritt das Gericht zubereiten. Wenn aber drei Freunde zu Besuch sind und wir gemeinsam kochen wollen, ist es wahrscheinlich sinnvoll, die Aufgaben anders aufzuteilen. Wenn wir alle gleichzeitig jeden Punkt des Rezepts gemeinsam abarbeiten, stehen wir uns vermutlich hauptsächlich im Weg. Vielleicht gibt es auch gar nicht genug Messer und Schneidebretter, um alle gleichzeitig das Gemüse zu schneiden. Aber mit mehreren Leuten können wir unterschiedliche Aufgaben parallel machen: Einer kann sich schon um die Soße kümmern, die zweite Person setzt den Reis auf, die dritte Person schnippelt Gemüse und ich decke während dessen den Tisch.

In einer anderen Situation überlege ich vielleicht lange, wo ich am besten parken kann und wie viel Zeit ich für die Parkplatzsuche einplanen muss. ohne zu merken, dass es auch eine direkte Busverbindung gibt, die mich ohne Parkplatzsuche direkt zu meinem Ziel führt.

Auflösung Schachbrett-Rätsel

Man kann versuchen sich die Aufgabe bildlich vorzustellen und die Dominosteine in verschiedenen Anordnungen auf dem Schachbrett zu verteilen. Wenn der erste Versuch nicht klappt, kann man manche Steine noch einmal "umdrehen" und schauen, ob sich so eine Lösung finden lässt. Es ist jedoch schwer, sich zu merken, welche Anordnungen man schon ausprobiert hat, und welche Abwandlungen davon noch möglich wären. Wenn ich die Aufgabe anders beschrieben hätte, wärt ihr vielleicht schneller zur Antwort gekommen:

Bei einem Schachbrett werden die zwei gegenüberliegenden weißen Ecken abgeschnitten. Ist es möglich, dieses Feld mit Dominosteinen zu bedecken? Jeder Dominostein ist zwei Quadrate groß, geht also immer über ein schwarzes und ein weißes Feld auf dem Schachbrett.

Wenn man über die Anzahl der schwarzen und weißen Felder nachdenkt, kommt man vielleicht schneller auf die Lösung: Es gibt 32 schwarze und nur 30 weiße Felder. Somit ist es unmöglich, 31 schwarz-weiß "Pärchen" zu bilden aus den vorhandenen Feldern. Egal wie lange man die Dominosteine hin und her schiebt, es gibt keine Möglichkeit, das ganze Feld lückenlos zu bedecken.

 

Thea Behrens

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