Warum gibt es eigentlich kein Navi zum erfolgreichen Studienabschluss?

Wenn meine Familie früher in den Urlaub fuhr, navigierten meine Eltern mit einem großen Straßenatlas. Dabei kam es öfters mal zu Umwegen, Zwischenstopps und Diskussionen über die beste Route. Heute gibt man die Zieladresse in ein Navi oder eine App ein und bekommt in Echtzeit den kürzesten Weg zum Ziel angezeigt. Wäre es nicht klasse wenn es für Bildungsziele im Studium auch eine App gäbe, die uns auf dem kürzesten Weg zu unseren Bildungszielen bringt? Im Projekt SIDDATA (Das steht für "Studienindividualisierung durch Digitale Datengestützte Assistenten".) habe ich mich dreieinhalb Jahre mit der Entwicklung von Studienassistenten beschäftigt. Dazu habe ich Studien gelesen, Studenten befragt, Prototypen programmiert und in Feldstudien erprobt, welche Funktionen Studierende tatsächlich nutzen und wie sie diese bewerten. Eine erste Erkenntnis zum Thema Bildungsziele war, dass viele Lerner keine klar benannten Bildungsziele haben. Einen Abschluss zu schaffen oder gute Noten zu erreichen sind häufige Ziele. Das liegt allerdings stark an äußeren Gründen, also gesellschaftlicher Anerkennung für gute Noten oder guten Jobs für gute Abschlüsse. Außerdem werden wohl alle Studierenden aus genannten Gründen gute Noten und einen guten Abschluss erstrebenswert finden. Viel interessanter sind "intrinsische" Bildungsziele, also solche die Studierende aus sich heraus und unabhängig von äußeren Faktoren anstreben. Für die eigene Motivation und Zufriedenheit sind Bildungsziele, die mit der eigenen Identität, und eigenen Werten zusammen hängen von Vorteil. Ein Ansatzpunkt für einen digitalen Studienassistenten könnte also das Fragen nach persönlich relevanten Bildungszielen sein, damit solche entwickelt werden können. Ein häufiges Problem im Studium und im Leben allgemein ist es, sich für die kleinen Notwendigkeiten des Alltages zu motivieren. Das kann besser gelingen, wenn man sich vor Augen hält wofür man diese Aktivitäten erledigt. So erledige ich möglicherweise eine Statistikhausaufgabe zügiger wenn ich sie als Schritt zu meiner Zukunft als Kognitionswissenschaftler begreife. Ein digitaler Studienassistent könnte mich also regelmäßig an den Zusammenhang zwischen meiner To-Do-Liste und den hohen Zielen, die mich inspirieren, erinnern. Beim Lernen spielen auch die richtigen Lernmaterialien und Lernpartner eine wichtige Rolle. Im Internet und den Lernmanagementsystemen der Universitäten gibt es dazu große Datensätze zu Kursen und Veranstaltungen. Zudem gibt es online große Mengen an freien Bildungsmaterialien und kostenlosen Onlinekursen und Tutorials. Ein digitaler Studienassistent kann diese Datenmengen mithilfe von künstlicher Intelligenz blitzschnell durchsuchen und passende Vorschläge machen. In unseren Feldversuchen hat sich herausgestellt, dass Studierende sehr gerne von Matchingalgorithmen für Lernpartner und Lernmaterialien Gebrauch machen. Dabei kann der Algorithmus beispielsweise Informationen zu Studiengang und belegten Kursen, aber auch Eingaben zu persönlichen Interessen, verwenden. Jeder, der schon mal mit Navi den kürzesten Weg zu einem Ziel gefunden hat, und dann ohne Navi wieder zurück fahren musste, kennt den Preis den wir zahlen, wenn wir unsere geistigen Aktivitäten auf ein technisches Gerät auslagern: Wir ersparen uns Anstrengung, lernen aber nichts dabei. Gäbe es einen Studienassistenten, der uns die einfachsten Kurse aussuchen und uns alle Lernaktivitäten vorstrukturierte, kämen wir schnell zum Abschluss, hätten aber dabei viele Lernerfahrungen verpasst. Dieser Sachverhalt trifft so auch auf viele andere Tätigkeiten zu, die wir auf Maschinen auslagern. Eine App, die einen Studenten alle Lernaktivitäten vorgibt und vor allem den Aufwand fürs Studium minimiert, ist also wenig hilfreich weil dadurch keine "Ortskenntnis" im Land des Lernens erworben wird. Digitale Assistenten können aber beispielsweise dazu stimulieren eigene Bildungsziele zu entwickeln und können schneller als Menschen passende Lernmaterialien und Lerner mit ähnlichen Interessen in großen Datenmengen finden. Zukünftige Studierende werden also auch weiterhin selbst durch ihr Studium navigieren, digitale Assistenten können sie dabei als Werkzeuge unterstützen.

Felix Weber

fweber@uos.de

Institut für Kognitionswissenschaften, Universität Osnabrück

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.