Nicht optimal aber gut genug – Wie unsere Lösungsstrategien helfen können komplexe Algorithmen besser zu verstehen

Menschen finden erstaunlich gute Lösungen für Optimierungsprobleme. Computer können die optimale Lösung berechnen, aber nur Menschen haben eine gute Intuition.

Optimierung überall
Jetzt, da der Sommer kommt, wollen viele von uns endlich wieder in den Urlaub fahren. Bis man sich aber auf den Weg machen kann, gibt es einiges zu planen. Wie komme ich hin? Welche Kombination aus Bus, Bahn, Auto, Schiff oder Flugzeug bringt mich am besten zum Ziel? Was möchte ich alles anschauen? Wie kann ich möglichst viele Sehenswürdigkeiten besichtigen, die auf die Stadt verteilt liegen, und nur zu bestimmten Zeiten geöffnet haben? Was nehme ich mit?
All diese Fragen sind Optimierungsprobleme. Es gibt etwas, das ich optimieren möchte - möglichst günstig ans Ziel kommen, möglichst viel sehen oder möglichst selten das Gefühl haben, etwas vergessen zu haben. Das ist die Zielfunktion. Dabei muss ich bestimmte Bedingungen beachten - Fahrpläne, einen festen Start- und Zielpunkt, Museumsöffnungszeiten oder Platz im Koffer. Solche Optimierungsprobleme kommen überall vor, sowohl in unserem Alltag als auch in großen Betrieben. Es gibt viele Algorithmen, mit denen Computer eine optimale Lösung berechnen können. Menschen sind erstaunlich gut darin, intuitiv eine gute Lösung für kleinere Optimierungsprobleme zu finden. In unserer Forschung untersuchen wir mithilfe von Experimenten, welche Strategien sie hierbei nutzen. Dies kann uns helfen, die optimalen Lösungen zu verstehen, die Computer für weit komplexere Optimierungsprobleme finden und diese zu erklären.

Intuitive Lösungen
Besonders in Alltagssituationen nutzen wir normalerweise keine technische Hilfe, sondern finden mit etwas Nachdenken eine befriedigende Lösung. Es ist dabei oft nicht entscheidend, dass diese die beste ist, sondern nur dass sie ziemlich gut ist. Genau darin sind Menschen erstaunlich kompetent. Obwohl es fast unmöglich für uns ist, sie schnell und akkurat auszurechnen, finden wir für einfache Probleme mit wenig Aufwand eine sehr gute Lösung.

In unserer Forschung wollen wir untersuchen, wie gut Menschen tatsächlich im Optimieren sind und welche Faktoren Probleme einfacher oder schwerer machen. Es kann uns zum Beispiel leichter fallen, Wege zwischen Sehenswürdigkeiten in einer Stadt zu planen, als einen Koffer zu packen. Aber auch in der gleichen Kategorie von Problemen können unterschiedliche Instanzen eigene Schwierigkeiten aufweisen. Die Planung eines Urlaubstages in Florenz, einer Stadt mit einer riesigen Auswahl an Sehenswürdigkeiten, ist sicherlich sehr viel schwieriger, als die Planung eines Tages an einem kleinen Ostsee-Ort, an dem der Strand im Mittelpunkt steht. Das muss allerdings nicht nur an der Anzahl der Sehenswürdigkeiten liegen, sondern kann auch mit den Bedingungen zusammenhängen. Abhängig von meinen eigenen Prioritäten kann es schwierig sein, die einzelnen Stationen unter einen Hut zu bringen, zum Beispiel weil ich bei beliebten Stationen den Touristenstrom umgehen will, aber auch nicht unnötig große Wege laufen möchte.

Natürlich berechnen wir die Lösungen nicht exakt im Kopf. Dafür müssten wir alle nötigen Möglichkeiten ausrechnen und die beste Lösung unter allen bestimmen. Aber wie finden wir dann eine gute Lösung? Menschen finden nicht immer die optimale Lösung, aber das ist ja meistens auch nicht nötig. Wenn ich meinen Koffer gepackt habe, er nicht zu viel wiegt und ich das Gefühl habe, nichts Wichtiges vergessen zu haben, werde ich vermutlich nicht so lange weiter T-Shirts aus- und einpacken, bis ich mir absolut sicher bin den Koffer bestmöglich gepackt zu haben. Dies würde lange dauern und wahrscheinlich nur eine kleine Verbesserung bringen. Wie bin ich also auf die zufriedenstellende Lösung gekommen und wie habe ich entschieden, dass sie gut genug ist? Strategien um Lösungen zu finden oder sie zu vergleichen, sind zentral um schnell und gut Probleme zu lösen.

Zum Beispiel sortiere ich beim Sommerurlaub die Handschuhe sofort als unwichtig aus oder ich versuche möglichst nah an das erlaubte Gepäckgewicht zu kommen. Mit verschiedenen Lösungsstrategien kommt auch die Frage auf, ob alle Menschen dieselben Strategien nutzen oder unterschiedliche Ansätze haben, die sie vielleicht auch zu verschiedenen Lösungen führen.

Antworten finden
Um all diese Fragen zu beantworten, lassen wir für Experimente Optimierungsprobleme im Labor und Online lösen. In einem Planspiel, in dem man eine Möbelfabrik managen muss, geben wir Versuchspersonen verschiedene Szenarien, für die sie eine möglichst gute und am besten optimale Lösung finden sollen. Ihre Aufgabe ist es zu entscheiden, welche Möbelstücke in welcher Anzahl sie bauen, um möglichst viele Einnahmen mit dem Verkauf der Möbel zu erwirtschaften. Die gesammelten Einnahmen der Möbelstücke entsprechen der Zielfunktion. Allerdings müssen sie beachten, dass sie nur eine bestimmte Anzahl an Materialien und Arbeitsstunden zur Verfügung haben: die Bedingungen des Optimierungsproblems.

Verschiedene Szenarien in diesem Problem entsprechen dann Änderungen in der Zielfunktion, mal bringt das Regal mehr ein, mal ein anderes Möbelstück, aber auch Änderungen in den Bedingungen durch unterschiedliche Ressourcen am Start eines Versuchsblocks. Mit diesen Veränderungen können wir systematisch analysieren, welche Struktur ein Problem einfacher oder schwieriger macht, indem wir vergleichen, wie weit die gefundenen Lösungen in dem jeweiligen Problem von der optimalen Lösung entfernt sind.

Planspiel Möbelfabrik

Planspiel Möbelfabrik

Um zu untersuchen welche Faktoren für die Versuchspersonen bei der Lösung wichtig waren, fragen wir sie, was ihre Strategien für die Lösungsfindung waren und worauf man bei der Lösung des Problems achten sollte. Diese Aussagen gleichen wir mit den tatsächlichen Entscheidungen während des Experiments ab, um die Strategien zu formalisieren und zu verifizieren. Damit können wir verschiedene Lösungsansätze der Versuchspersonen einordnen und vergleichen, wie gut verschiedene Strategien funktionieren.

Das Experiment der Möbelfabrik ist ein relativ einfaches Problem, mit dem menschliches Verhalten systematisch untersucht werden kann. Es steht trotz der Einfachheit stellvertretend für größere und komplexere Optimierungsprobleme, weil Strukturen in Zielfunktion und Bedingungen in anderen Problemen denselben mathematischen Regeln folgen. Dadurch sind die Erkenntnisse, die wir in den Experimenten gewinnen, auch in einem größeren Kontext anwendbar.

Optimierung im größeren Kontext
Optimierung kommt natürlich nicht nur bei der Urlaubsplanung vor, sondern ist ein wichtiger Bestandteil vieler relevanter Fragen. Zum Beispiel versuchen Forscher zu modellieren, wie wir die Energieversorgung in Deutschland am besten umgestalten und ausbauen können, um möglichst wenig CO2 zu verursachen. Bei dieser Frage ist die Minimierung der Kosten oder des bei der Stromgewinnung anfallenden CO2s die Zielfunktion. Zusätzlich gibt es Bedingungen, die beachtet werden müssen, wie der Bedarf an Strom, der gedeckt werden soll, oder bereits vorhandene Kraftwerke. Natürlich sind solche Optimierungsprobleme viel zu groß um sie von Hand auszurechnen. Stattdessen werden große Modelle und Algorithmen eingesetzt. Trotz dieser Automatisierung ist es dennoch wichtig, dass wir die Ergebnisse so gut wie möglich verstehen. Gerade bei sehr komplexen und gewichtigen Fragen wie der Energieversorgung, ist es hilfreich, wenn wir nicht nur wissen, welche Lösung der Algorithmus gefunden hat, sondern auch erklären können, weshalb diese die beste ist. Die IngenieurInnen, die das Modell programmiert haben, sollten die Lösung gut nachvollziehen und anderen erklären können. Allerdings wird es schwieriger eine übersichtliche Erklärung zu finden, je größer das Problem ist und je mehr Faktoren man beachten muss. Es gibt auch andere Bereiche in denen Entscheidungsträger direkt mit Programmen interagieren müssen, die sie nicht selbst programmiert haben. In dem Forschungsprojekt PlexPlain wollen wir gemeinsam mit WissenschaftlerInnen anderer Disziplinen Erklärungen erstellen, die in solchen Situationen automatisch generiert werden und zum Verständnis der Lösung beitragen können.

Unsere Erkenntnisse zu menschlichen Lösungsstrategien nutzen wir hier, um möglichst intuitive Erklärungen zu generieren, die besonders die Aspekte abdecken, die Menschen bei diesen Problemen wichtig sind. Wenn wir verstehen wie Menschen Probleme repräsentieren, lösen und evaluieren, können wir automatische Erklärungen besser an die Fragen, die Menschen zu einer Lösung haben, anpassen. So können menschliche Strategien bei der Urlaubsplanung helfen, Algorithmen besser zu erklären.

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