Kann Künstliche Intelligenz Menschen helfen Fragen und Ideen besser zu durchdenken?

Leyla hat eine Idee. Sie will eine Firma gründen, die nachhaltige Sonnencreme produziert und verkauft. „Gut für mich, gut für die Kunden, gut für den Planeten“, denkt sie sich. Aber was jetzt? Die große Frage ist: „Sollte ich eine Firma gründen, die nachhaltige Sonnencreme produziert und kann sie wirklich erfolgreich sein?“. Um diese Frage möglichst beantworten zu können, zeigt die Internetrecherche, dass es gut wäre, einen „Business Plan“ zu haben. Den braucht man aus verschiedenen Gründen und er soll nicht nur die generelle Idee des Unternehmens zeigen, sondern auch, ob und wieso sie erfolgreich sein kann. Aber um den potenziellen Erfolg überhaupt abschätzen zu können, muss Leyla viele andere Fragen beantworten wie „Wie viele KundInnen hätten überhaupt Interesse an einem solchen Produkt?“, „Wie viel würden sie kaufen?“, „Wie lange wird die Produktion dauern und wie viel wird sie kosten?“. Da aber keiner in die Zukunft schauen kann, müssen für die meisten Antworten vermutlich Schätzungen her. Aber möglichst gut und realistisch sollen sie sein, damit Leyla auch bestmöglich planen kann. Also auf geht die Reise in die Recherche, ins Brainstorming und ins Abwägen von Aspekten, die man bedenken muss. Und es gibt ganz schön viel zu bedenken. ExpertInnen, deren Job es ist Vorhersagen über die Zukunft zu machen und deren Vorhersagen ziemlich gut sind teilen solche großen Fragen, die sie beantworten wollen, auch immer in viele verschiedene Unterfragen auf. Also ist es sicherlich eine gute Idee diese Herangehensweise auch zu nutzen. Außerdem würde es sicherlich auch helfen mit anderen darüber zu sprechen, denn vermutlich können anderen Leuten neue Fragen stellen und Abwägungen machen. So können sie Leyla auf Ideen bringen, auf die sie selbst nicht gekommen wäre. Klingt sinnvoll, vor allem weil die sowieso schon guten Vorhersagen von ExpertInnen noch besser werden, wenn sie mit anderen zusammen über ihre Probleme nachdenken, weil sie so noch mehr Perspektiven auf das Problem bekommen. Ok, super, wird gemacht! Leyla findet Leute, die gute Ideen haben, aber vielleicht könnte man noch weitere Fragen, die aufkommen könnten, abwägen. Aber im Internet kann man auch nur googlen worauf man selbst schon gekommen ist. Wäre es also nicht hilfreich, wenn Leyla eine Assistenz an ihrer Seite hätte, die sie beim Brainstormen neuer Ideen und noch weiterer Fragen unterstützen könnte?

Mit Künstlicher Intelligenz (KI) könnte es möglich sein eine solche Assistenz zu erstellen, die Menschen dabei unterstützt, mehr und andere Aspekten für Schätzfragen zu bedenken und somit bessere Antworten auf diese Fragen zu finden. Als KI bezeichnet man Computerprogramme, die in der Lage sind, basierend auf Daten bestimmte Konzepte zu lernen und somit „intelligentes“ Verhalten zu zeigen und entsprechende Aufgaben zu lösen. Aber was bedeutet es eine solche KI zu entwickeln? Geht das überhaupt? Wenn ja, wie?

Also nochmal zum Beispiel von Leyla: sie könnte sich fragen, was ein guter Preis für ihre nachhaltige Sonnencreme sein könnte. Diese Frage lässt sich aber nicht einfach direkt über (Internet) Recherche beantworten. Um trotzdem eine möglichst durchdachte und gute Antwort auf diese Frage zu finden, kann diese in andere Fragen umformuliert oder aufgeteilt werden, die sich auf bestimmte Aspekte konzentrieren. So könnte man z.B. fragen „Wie viel Umsatz wird jährlich mit Sonnencreme insgesamt erzielt?“ und sich zusätzlich die Ergebnisse von Umfragen anschauen, die KonsumentInnen danach fragen, wie viel Aufpreis sie gewillt wären für ein nachhaltiges Produkt zu zahlen. Diese Arten von Varianten, Aufteilungen und Umformulierungen einer Frage ist ein großer und wichtiger Teil von Problemlösung.

Genau an dieser Stelle, also wenn Leyla Fragen sinnvoll umformulieren und aufteilen möchte, könnte ihr eine entsprechende KI-Assistenz helfen und Vorschläge generieren. Es gibt dafür große KI Sprachmodelle, die bereits über ganz viel geschriebene Sprache, also beispielsweise durch das „Einlesen“ sehr viele Internetseiten, darauf trainiert sind Sprache und geschriebenen Text selbst zu produzieren. Danach können diese Systeme mit ein paar wenigen Beispielen auf eine spezifische Aufgabe trainiert bzw. darauf angepasst werden. Zuerst kann die KI also allgemeine Sprachproduktion lernen und dann in der Lage sein, sinnvolle Umformulierungen zu generieren. Um das zu erzielen, haben wir, ein Forschungsteam der TU Darmstadt, einige Beispiele von Umformulierungen, die Menschen im Labor beim Lösen von solchen Aufgaben gemacht haben, an die KI geben. Die Versuchspersonen mussten offene Schätzfragen, auf die sie keine direkte Antwort finden konnten, so gut wie möglich beantworten, wie z.B. „Wie viele Pizzen werden täglich in Darmstadt geliefert?“. Dabei haben sie die Frage in Unterfragen aufgeteilt und/oder in andere Varianten umformuliert wie beispielsweise „Wie viele Pizzen werden in Deutschland täglich bestellt?“ oder „Wie viele Bestellungen gehen bei Lieferando in Darmstadt ein?“. Diese Antworten sind eventuell besser zu recherchieren und können Hinweise und Informationen zur ursprünglichen Frage aufzeigen. Mit diesen Beispielen und den passenden Umformulierungen von den Versuchspersonen konnte das System also lernen ähnliche Vorschläge für vergleichbare Fragen zu generieren. Jetzt könnte das System beispielsweise auch vergleichbare Vorschläge zu Leyla’s Fragen erstellen. Klingt vielversprechend, oder?

Tja, obwohl es beeindruckend ist, dass das KI-System so (einfach) schon ziemlich gut lernt sinnvolle Fragen zu erstellen, heißt das leider nicht automatisch, dass diese Vorschläge wirklich weiterhelfen. Als wir das System mit verschiedenen NutzerInnen getestet haben stellt sich ein großes Problem heraus: die Ideen, die das System generiert sind dieselben auf die die NutzerInnen selbst schnell kommen. Das System ist dementsprechend zwar in der Lage menschliche Assoziationen zu lernen und diese selbst für ungesehene Fragen abzubilden. Das heißt aber nicht, dass es hilft, weil nicht ähnliche Ideen zu denen der NutzerInnen, sondern neue und andere gezeigt werden sollten. Also stellt sich eine große Frage in diesem Bereich: wie können wir Künstliche Intelligenz nicht nur anhand von menschlicher Intelligenz trainieren und diese als „Vorbild“ dafür nehmen? Wie schaffen wir es, dass sie komplementär zur menschlichen Intelligenz auf Ideen kommen kann, die kreativ, neu und wirklich anders aber trotzdem sinnvoll und hilfreich sind?

Es ist wichtig, dass wir KI so gestalten, dass sie wirklich intelligent ist aber auch sicherstellen, dass wir sie nicht einfach nur aus dieser Absicht heraus bauen: wenn wir intelligente Systeme haben möchten, die Menschen unterstützen bessere Ergebnisse in solchen Aufgaben zu erzielen, dann sollten wir nicht Systeme erstellen, die Dinge, wie Business Pläne einfach automatisieren. Schließlich will Leyla ihre eigene Firma gründen und nicht eine KI ihre Firma für sie gründen lassen. Also liegt die Frage eher darin, wie wir es schaffen eine wirklich sinnvolle Mensch-KI Interaktion zu ermöglichen.

KI hat also großes Potential Menschen viele bisher nicht bedachte Ideen und Perspektiven zu zeigen. So könnte es sein, dass gemeinsam in einem Mensch-KI Team Probleme wie die, die oben genannt wurden, besser gelöst werden als sie ein Mensch allein lösen kann. Die Vorstellung von einer KI-Assistenz, die Leyla z.B. helfen könnte, bessere Abschätzungen zu machen und so einen besseren Plan für die Gründung ihrer Firma zu erstellen, klingt sinnvoll. Aber wenn wir solche KIs haben möchten, muss noch viel passieren. Wir müssen sowohl die menschliche Intelligenz und die NutzerInnen an sich besser verstehen, damit wir wissen an welchen Stellen KI gut unterstützen kann. Zusätzlich müssen KI-Systeme dann so gestaltet werden, dass sie genau an diesen Lücken ansetzen und ergänzend statt ersetzend zu menschlichen Fähigkeiten sind.

Vildan Salikutluk

vildan.salikutluk@tu-darmstadt.de

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